Geflüchtete Ukrainer und Ukrainerinnen kommen am Berliner Hauptbahnhof an und werden dort empfangen, Aufnahme von oben.
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Ukraine-Krieg
Hilfsmaßnahmen für ukrainische Forschende und Studierende

Zahlreiche ukrainische Forschende und Studierende sind auf der Flucht. In Deutschland planen wissenschaftliche Institutionen Hilfsmaßnahmen.

04.03.2022

Seit etwas mehr als einer Woche greifen Truppen der russischen Regierung die Ukraine an. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sind auf der Flucht. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlassen ihr Land. In Deutschland haben verschiedene Wissenschaftsorganisationen Hilfsmaßnahmen initiiert: die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Alexander von Humboldt-Stiftung und einzelne Universitäten.

Die DFG will geflüchtete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Ukraine kurzfristig in das deutsche Wissenschaftssystem integrieren, wie sie am Mittwoch in Bonn mitgeteilt hat. So sollen sie ihre wissenschaftliche Arbeit weiterführen können. Dies solle im Rahmen ihrer bestehenden Initiative für geflüchtete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschehen. Die Unterstützung stehe auch russischen Forschenden offen, die nun zur Flucht gezwungen seien.

Die Förderung von Forschungsprojekten zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und Russland durch die DFG wurde bereits ausgesetzt, nur deutsche Projektanteile werden laut Mitteilung weiterfinanziert. In bestehenden Kooperationsprojekten sollten ab sofort keine Daten, Proben und Geräte sowie anderes wissenschaftliches Material ausgetauscht werden. Insgesamt hat die DFG in den vergangenen drei Jahren in ihren verschiedenen Förderarten und Programmen demnach mehr als 300 deutsch-russische Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von über 110 Millionen Euro unterstützt.

Brücken zu russischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaflern nicht zerstören

Die Alexander von Humboldt-Stiftung hat ebenfalls auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine reagiert. Der institutionelle und materielle Austausch mit Russland sei gestoppt, die Kommunikation werde jedoch fortgesetzt, teilte die Stiftung am Donnerstag mit. Durch den Krieg bedrohte Forschende erhielten unbürokratische Unterstützung und Zuflucht: Ihren Geförderten aus der Ukraine biete die Stiftung Sonderregelungen für Alumniaufenthalte und Stipendienverlängerungen an. Auch Geförderten aus Russland, die etwa wegen ihrer kritischen Haltung gegenüber dem Krieg bedroht seien, soll mit diesen Instrumentarien ein Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden. Für geflüchtete Forschende aus der Ukraine sei die Bewerbungsfrist im Rahmen der bestehenden Philipp Schwartz-Initiative bis zum 18. März verlängert und das Nominierungsverfahren vereinfacht worden.

Russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnten sich weiterhin um Stipendien der Stiftung bewerben, würden aber streng überprüft. Bestehende Brücken sollten nicht zerstört werden: "Wir bieten allen Schutz und Unterstützung an, die sich für Verständigung und Kooperation engagieren", kommentierte Stiftungspräsident Hans-Christian Pape. "Wir setzen unsere Hoffnung und unser Vertrauen auf die Kraft wissenschaftlicher Kooperation, um zur langfristigen Bewältigung dieser existenziellen Krise beizutragen, die uns alle zutiefst erschüttert", so Pape.

Über die laufenden Maßnahmen hinaus arbeite die Stiftung an neuen Förderangeboten wie Kurzzeitstipendien oder einer Plattform, die Geflüchtete und wissenschaftliche Gastgebende schneller und fachlich passend zusammenbringen soll. In den nächsten drei Jahren rechne die Stiftung mit einem zusätzlichen Finanzbedarf von rund 23 Millionen Euro. Deshalb werde sich die Stiftung auch um Zustiftungen von privater Seite oder aus der Wirtschaft bemühen.

Auch die VolkswagenStiftung stellt Fördermittel zur Verfügung, damit ukrainische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Tätigkeit an einer Universität oder einem Forschungsinstitut in Deutschland fortsetzen können, wie die Stiftung am Freitag mitgeteilt hat. Ab sofort können demnach Anträge für einen Förderzeitraum von sechs bis 12 Monaten eingereicht werden. Erfolgreiche Bewerberinnen und Bewerber erhielten ein monatliches Stipendium von zwischen 1.500 und 2.100 Euro je nach Karrierelevel. Zur Antragstellung eingeladen seien Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten, die ukrainischen Forschenden einen Arbeitsplatz in ihrer Arbeitsgruppe oder an ihrem Institut zur Verfügung stellen möchten.

Regionale Unterstützung und Initiativen einzelner Hochschulen

Das Land Brandenburg ist laut Angaben der Landesregierung das einzige Bundesland mit Ukrainistik-Lehrstühlen: an der Universität Potsdam und an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Es teilte am Donnerstag mit, dass die bereits begonnene Hilfe für Ukrainerinnen und Ukrainer in Brandenburg ausgeweitet werden soll. Von den Hochschulen im Land heißt es, dass Menschen aus der Ukraine bei der Suche nach Studienplätzen, Arbeitsplätzen und Jobs in der Wissenschaft, Unterkünften, Sprachkursen und psychosozialer Betreuung unterstütz würden. Wichtig sei, dass nicht nur Übergangsanstellungen vermittelt werden. Geflüchtete Studierende und Forschende sollten eine Perspektive in der Wissenschaft bekommen. Dafür werde eine landesweite Plattform zur Vernetzung von Hilfsangeboten geschaffen.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern organisiert mit seinen Hochschulen eine "Wissenschaftsbrücke" zur Ukraine, wie die Landeswissenschaftsministerin Bettina Martin am Donnerstag in Schwerin mitteilte. Es soll psychologische Unterstützung für ukrainische Studierende angeboten werden und mehr Sprach- und Integrationskurse geben. Hinzu kommen Lotsen, die Studieninteressierte betreuen.

Die Technische Universität (TU) Berlin sammelt Spenden für einen neu eingerichteten Hilfsfonds, mit dem ukrainische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende direkt gefördert werden können. Die gesammelten Gelder würden als Überbrückungsgeld oder als Stipendien an Forschende und Studierende aus der Ukraine ausgezahlt. Angedacht ist, Kursgebühren für Deutsch-Unterricht zu erstatten, wie die Universität mitteilte. Die TU Berlin wird demnach selbst einen Grundstock an Finanzen bereitstellen. "Wir wollen mit dem Hilfsfonds die Möglichkeit schaffen, direkt im Bereich Wissenschaft und Studium zu helfen", erläuterte Professor Christian Thomsen, Präsident der TU Berlin.

zuletzt aktualisiert am 04.03.2022 um 12:37 Uhr, zuerst veröffentlicht um 12:05 Uhr

cpy/dpa