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Der Containerfrachter „Cosco Hamburg“ der chinesischen Reederei Cosco liegt im Containerhafen der chinesischen Stadt Qingdao.

© dpa / Yufangping/SIPA Asia via ZUMA Wire/dpa

Geopolitisches Dilemma für die Wissenschaft: China ist Kooperationspartner – und Systemkonkurrent

Wissenschaft liegt nicht jenseits der Geopolitik: Warum es endlich ein Umdenken in Bezug auf deutsch-chinesische Kooperationen braucht und wie das gelingen kann. Ein Gastbeitrag.

Von
  • Katharina Dröge
  • Kai Gehring

Seit einem halben Jahrhundert unterhalten Deutschland und China diplomatische Beziehungen. Die Volksrepublik China hat sich in den letzten zwanzig Jahren zum globalen Player entwickelt. Das Land investiert 2,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Forschung – fast genauso viel wie der OECD-Durchschnitt.

Deutschland gehört mit über drei Prozent zu den forschungsintensivsten Ländern. Kooperationen sind für Forschende beider Länder attraktiv. Für die Bewältigung der großen Menschheitskrisen sind wir auf die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China und chinesisches Knowhow angewiesen.

Doch die ist oft alles andere als einfach. Zunehmende Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit, sowie soziale Kontrolle und massive Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung bereiten uns große Sorgen. Durch die zunehmende Aufrüstung und das Vorgehen nicht nur im ostasiatischen Meer muss der Dual-Use-Problematik, also der militärischen Nutzbarkeit ziviler Forschungsergebnisse, besondere Beachtung geschenkt werden. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund von Kooperationen deutscher Forschungseinrichtungen mit denen des chinesischen Militärs.

Hinzu kommen Fragen zu Datenschutz, Cybersicherheit, gezielter Spionage, aber auch der Missachtung geistigen Eigentums. Auch wenn die deutsche Wissenschaft sich insgesamt verantwortungsbewusst verhält, müssen wir immer häufiger feststellen, dass die chinesische Seite versucht, Einfluss auf Forschungskooperationen zu nehmen.

Der Rechercheverbund der China Science Investigation berichtet allein in Deutschland von 349 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, in denen deutsche Forschende mit chinesischen Akteuren aus Militäreinrichtungen zusammengearbeitet hatten.

Katharina Dröge ist Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
Katharina Dröge ist Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

© Imago/Christian Spicker

Hier offenbart sich ein Dilemma: Es geht nicht mit China, aber auch nicht ohne. Die zentrale Frage ist, wie sowohl der Schutz technologischer und digitaler Souveränität sichergestellt wird als auch unser Wertekompass auch in bilateralen Forschungskooperationen stärker zur Geltung kommen kann. Unser Grundgesetz mit seinen Freiheitsrechten, aber auch die Exportkontrollgesetze bilden einen wichtigen Teil des rechtlichen Rahmens für die Zusammenarbeit auch mit „schwierigen“ Staaten. Darüber hinaus haben wissenschaftliche Institutionen Leitfäden und Kriterienkataloge erarbeitet. Die Krux besteht in der konkreten Operationalisierbarkeit dieser Richtlinien und Sensibilisierung von Forschenden.

Als kreativer Kontinent der Wissenschaftsfreiheit hat Europa viel zu bieten und zu verteidigen. China ist keineswegs nur Kooperationspartner, sondern auch Wettbewerber und Systemkonkurrent – diese Realität muss die Wissenschaft anerkennen. So wie die Wirtschaft sollte sich auch die Wissenschaft vorbereiten, falls Kooperationen durch politische Eskalation einbrechen.

Kai Gehring (Grüne) ist Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag.
Kai Gehring (Grüne) ist Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag.

© Mirko Raatz

Drei Elemente sind für den künftigen Umgang mit der chinesischen Wissenschaft essenziell: Erstens die Stärkung der China-Kompetenz an deutschen Schulen, Hochschulen und in der Wissenschaft. Dazu gehören das Wissen über China, chinesische Sprachkenntnisse, aber auch die Kenntnis über die chinesische Wissenschafts-, Forschungs- und Innovationslandschaft.

Zweitens sollten sich Wissenschaftskooperationen interessegeleitet auf Bereiche mit geringem Missbrauchsrisiko und hohem Nutzen für die eigene Innovationsagenda konzentrieren. Das können etwa Klima- und Gesundheitsforschung sein.

Drittens müssen im europäischen Verbund neue Allianzen mit Wertepartnerländern geschmiedet und bestehende vertieft werden. So kann eine selbstbewusste europäische Außenwissenschaftspolitik einen Gegenpol bilden, auch in wissenschaftsethischen Fragen.

Deutsche und europäische Forschung verkörpern maximale Offenheit und Neugierde an Erkenntnisgewinn. Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass Wissenschaft pluralistisch, evidenzbasiert und im offenen gesellschaftlichen Diskurs erfolgreicher ist als chinesische Geheimniskrämerei. Zugleich müssen Schutzinteressen schärfer justiert werden, um die Resilienz unserer Demokratie zu erhöhen und im Innovationswettbewerb Spitze zu bleiben.

Diese Philosophie wird die China, die Nationale Sicherheits- und die Internationalisierungsstrategien der Bundesregierung mitprägen. Es ist höchste Zeit für ein Umdenken hin zu Forschungskooperationen auf Augenhöhe und jenseits von Blauäugigkeit.

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