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Seit Dezember dürfen Frauen und Mädchen in Afghanistan weder die Universität noch die Schule besuchen.

© Picture alliance/Associated Press/Ebrahim Noroozi

Universitätsverbot für Frauen: Die Heuchelei der Taliban-Führer

In Afghanistan dürfen Frauen und Mädchen Universitäten nicht mehr besuchen. Die eigenen Töchter schickt die Taliban-Elite jedoch oft auf säkulare Schulen im Ausland.

Von Emran Feroz

Der Ausschluss der Frauen von den Universitäten hat vielen die letzte Hoffnung genommen. „Ich habe hier keine Zukunft mehr“, sagte mir kurz nach dem Dekret der Taliban zum Jahresende eine Medizinstudentin am Telefon. Ihr Traum, Ärztin zu werden, sei nun geplatzt.

Dabei hatten in den vergangenen Jahren führende Vertreter der Taliban, die im Golfemirat Katar Zuflucht gefunden hatten, für ein neues Image ihrer Gruppierung geworben.

Während der politischen Verhandlungen mit der Regierung Trump gaben sie zahlreichen internationalen Medien Interviews, so dass nicht wenige den Eindruck gewannen, die vermeintlich neuen Taliban seien moderat und womöglich gar nicht so schlimm, wie manche meinen.

Die neuen Taliban sind die alten Taliban

Doch die jüngste Entscheidung des wiederauferstandenen Taliban-Emirats zeigt das Gegenteil. Die neuen Taliban sind weiterhin die alten – jedenfalls an den Schaltstellen der Macht.

Das vergangene Jahr endete in Afghanistan gleich mit mehreren Schockmomenten. Während sich weite Teile der Welt auf Weihnachten vorbereiteten und in die Feiertage gingen, setzten die Extremisten nicht nur ein neues Dekret durch, das Afghaninnen jeglichen Universitätsbesuch bis auf Weiteres untersagt.

Das Verbot, das staatliche wie private Bildungseinrichtungen gleichermaßen betrifft, begründete Neda Mohammad Nadim, Minister für höhere Bildung des Taliban-Regimes, mit „Sittenwidrigkeiten“ sowie der „Abwesenheit islamischer Regeln und Richtlinien“.

Ich habe hier keine Zukunft mehr.

Eine Medizinstudentin kurz nach dem Universitätsverbot der Taliban

Diese Grundlagen, so Nadim, müssten erst geschaffen werden, um einen weiteren Universitätsbesuch zu garantieren. Was genau das bedeuten soll, weiß niemand – inklusive vieler Taliban-Mitglieder selbst

Wenige Tage nach dem Universitätsverbot erregte eine weiteren Entscheidung Aufsehen und Kritik: NGO-Mitarbeiterinnen wurde umgehend jegliche Arbeit untersagt. Namhafte Hilfsorganisationen stoppten daraufhin teils ihre Arbeit vor Ort.

Der „internationalistische“ Flügel der Islamisten steht durch die jüngsten misogynen Dekrete blamiert da. Einige Taliban wurden durch ihre Auslandsaufenthalte und ihr regelmäßiges Auftreten auf der politischen Weltbühne tatsächlich etwas weltgewandter und in politischer Hinsicht realistischer.

PR-Gesichter der Taliban haben keine Macht

Jene, die bis heute in Katar leben, schicken ihre eigenen Töchter in säkulare Bildungseinrichtungen, während ihre Führer im „Emirat“ afghanischen Mädchen und Frauen Bildung und Arbeit verbieten wollen. So ist bekannt, dass die Töchter von Sohail Shaheen, einem bekannten Taliban-Sprecher, und Sher Mohammad Abbas Stanekzai, dem stellvertretenden Außenminister sowie einstigen Leiter des „Taliban-Büros“ in Katar, Schulen und Universitäten in den Golfstaaten besuchen.

Ähnliches soll auch bei der Familie des 2016 getöteten obersten Führer der Taliban, Akhtar Mohammad Mansour, der Fall gewesen sein. Dies ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass Mansour neben seiner Tätigkeit als Terroristenführer auch weitreichenden Handel betrieb und sich ebenfalls regelmäßig in den Golfstaaten aufhielt.

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Auch die jüngere Generation der Taliban hat teils eine Vergangenheit im Ausland vorzuweisen. Zahlreiche Twitter-Propagandisten der Gruppierung haben ihr gutes Englisch nicht nur über Youtube und Netflix gelernt, sondern während ihrer Aufenthalte in Pakistan, Katar und anderswo.

Der für sein gutes Englisch bekannte Taliban-Sprecher Abdul Qahar Balkhi soll sogar in Neuseeland aufgewachsen sein, wo – so behaupten afghanische Kritiker – seine weiblichen Verwandten natürlich weiterhin problemlos zur Schule gehen.

Es war ein Fehler zu glauben, dass die PR-Gesichter der Taliban Entscheidungsgewalt besitzen würden. Denn während die Taliban-Diplomaten mit den Amerikanern verhandelten und im Februar 2020 einen Abzugsdeal unterzeichneten, vergrößerte sich auch die Distanz zwischen ihnen und jenen Männern, die vor Ort kämpften – und aus Sicht der Extremisten große Opfer brachten.

Einer von ihnen war der gegenwärtige Taliban-Führer Haibatullah Akhundzada. Auch die jüngsten Entscheidungen rund um das Schul- und Universitätsverbot für Frauen wurden von ihm und seinem Zirkel getroffen. Was Akhundzada generell von weltlicher Bildung hält, wurde bereits vor Jahren bekannt: Für ihn seien allein religiöse Schulen der Hort für die wahren Kämpfer des Islam.

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