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Internationale Rankings Sind deutsche Hochschulen schlicht zu arm, um erfolgreich zu sein?

Angehende Studierende orientieren sich bei der Hochschulauswahl häufig an Rankings. Dort landen deutsche Standorte weit hinter Harvard und Cambridge. Über die Qualität der Lehre sagt das nicht zwingend etwas aus.
Ein Interview von Katharina Hölter
Oxford, Harvard und Cambridge landen in Rankings meist ganz vorn (Symbolbild)

Oxford, Harvard und Cambridge landen in Rankings meist ganz vorn (Symbolbild)

Foto: Aaron Hawkins / iStockphoto / Getty Images

Die Universitäten Oxford, Harvard, Cambridge und Stanford gelten als die besten der Welt. So sieht es das Times Higher Education World University Ranking (THE) , das am Mittwoch veröffentlicht wurde und als eines der namhaftesten Rankings weltweit gilt. Deutsche Hochschulen schaffen es allerdings auch in diesem Jahr nicht auf die Plätze ganz vorn, die Technische Universität München (TUM) schneidet auf Platz 30 am besten ab, die Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU) schafft es auf Platz 33. Woran liegt es, dass die Deutschen im Vergleich nicht mithalten können? Und wie sehr helfen Rankings Studierenden wirklich bei der Wahl der richtigen Hochschule? Das erklärt Gero Federkeil vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) im Interview.

SPIEGEL: Harvard  hatte 2021 Einnahmen von umgerechnet mehr als fünf Milliarden Euro, bei einer der größten deutschen Hochschulen, der LMU in München , waren es rund 744 Millionen Euro. Sind deutsche Hochschulen schlicht zu arm, um den internationalen Rankings erfolgreich zu sein?

Federkeil: Die deutschen Hochschulen sind im Vergleich finanziell benachteiligt, was vor allem Auswirkungen auf die Forschung in den naturwissenschaftlichen Disziplinen hat. Die sind deutlich teurer als etwa die Geisteswissenschaften. Auch der Personalschlüssel – also wie viele Lehrende sich um wie viele Studierende kümmern – ist an den US-amerikanischen Eliteuniversitäten besser. Sie können es sich eben leisten.

SPIEGEL: Könnten deutsche Hochschulen aufsteigen, wenn sie in Zukunft hohe Gebühren verlangen würden?

Federkeil: Die finanzielle Lücke, wollte man sie denn schließen, lässt sich nicht allein durch Studiengebühren wettmachen. Das hohe Budget von Harvard etwa stammt auch aus den Erträgen ihrer Kapitalanlagen wie Aktien oder Pensionsfonds. Das ist ein komplett anderes System, als wir es in Deutschland und der EU haben.

SPIEGEL: Woran liegt es noch, dass deutsche Unis in internationalen Rankings nicht mithalten können?

Federkeil: Das liegt zu einem großen Teil an der Methodik dieser Rankings selbst. Sowohl das THE Ranking als auch das QS World University Ranking fokussieren sich auf die Reputation der Hochschulen. Sie fragen also eine Reihe von Expertinnen und Experten: Wie bewerten Sie das Ansehen der Hochschule? Dabei gibt es mehrere Probleme: Das Ansehen sagt nichts über die tatsächliche Qualität aus, und gleichzeitig bleibt unklar, welche Expertinnen und Experten genau befragt werden. Sie werden beim THE Ranking nur »Akademiker aus der ganzen Welt « genannt. Beim QS Ranking  dürfen die Hochschulen diese sogar selbst aussuchen. Außerdem sind die Stichproben klein. Das hat nichts mit Objektivität zu tun.

SPIEGEL: Wie beurteilen diese ausgewählten Expert:innen dann die Hochschulen?

Federkeil: Sie werden gefragt, welche sie weltweit für die besten halten. Aber wie sollen einzelne Personen einen Überblick über die Leistungen aller Hochschulen dieser Welt haben? Bei allem guten Willen, ich kann mir nicht vorstellen, welche zum Beispiel bei QS befragten Arbeitgeber  weltweit etwa die Qualität der Absolventinnen und Absolventen in der Philosophie oder Theologie bewerten könnten.

SPIEGEL: Aber THE und QS berücksichtigen auch die Zitationsrate, also wie oft andere Wissenschaftler:innen die Publikationen der jeweiligen Hochschulen zitieren. Das ist doch objektiv.

Federkeil: Ja, aber diese Ergebnisse fließen nur zu einem gewissen Prozentanteil in die Endbewertung  mit ein. Die setzt sich zum Beispiel beim THE zusammen aus 30 Prozent Lehre, 30 Prozent Forschung, 30 Prozent Zitationen, 7,5 Prozent internationale Ausrichtung und 2,5 Prozent Zusammenarbeit mit der Industrie – das ist Willkür. Aber die Reputation macht wiederum bei der Lehre 15 Prozent aus und bei der Forschung 18 Prozent, insgesamt also rund ein Drittel.

Fokus liegt auf Forschung

SPIEGEL: Was können die beiden Rankings dann überhaupt liefern?

Federkeil: Sie können – wenn überhaupt – die besten in der Forschung unter den international fokussierten Forschungsuniversitäten abbilden. Doch es gibt jede Menge anderer Aufgaben von Hochschulen, die im Ranking keine Rolle spielen. Spezialisierte Hochschulen und diejenigen, die ihren Fokus auf Praxis legen, wie etwa die deutschen Fachhochschulen, haben keine Chance, dort weit oben aufzutauchen. Die Qualität der Topuniversitäten des Rankings im Bereich Forschung ist trotzdem sehr gut, aber ich würde nicht auf die genaue Rangfolge achten – der sechste Platz ist nicht zwingend besser als der siebte, beide sind eben führend.

SPIEGEL: Sie haben beim CHE ein eigenes Bewertungstool  für Hochschulen in der EU entwickelt. Was machen Sie dabei anders?

Federkeil: Der wichtigste Unterschied ist, dass wir ein breites Spektrum an Indikatoren präsentieren, die nicht nur die Forschung abbilden. Und wir lassen die einzelnen Indikatoren – wie Zufriedenheit der Studierenden oder Zitation – nebeneinanderstehen, statt sie zu gewichten und zu einem Gesamtwert zu verrühren. Es gibt somit auch keine Rangfolge. Wir unterteilen in fünf Gruppen, von Topperformern bis zu Weak-Performern.

»Die Reputation messen wir nicht, weil sie für uns keine Aussagekraft hat.«

SPIEGEL: Woher nehmen Sie die Daten für Ihre Bewertung?

Federkeil: Im Wesentlichen greifen wir auf drei Datenquellen zu. Wir erfragen bei den Hochschulen selbst Daten, zum Beispiel zu Studierenden, Abschlüssen, Personal und internationaler Mobilität der Studierenden. Vieles davon steht leider in keiner internationalen Datenbank. Die wiederum gibt es aber, um die Anzahl von rein wissenschaftlichen Publikationen und Zitationen zu messen – auf die beziehen wir uns, genauso wie THE und QS auch. Und wir befragen Studierende selbst, wie sie ihre Fächer und Lehrerfahrungen bewerten. Das nützt Studieninteressierten wohl am meisten. Die Reputation messen wir nicht, weil sie für uns keine Aussagekraft hat.

SPIEGEL: Wie schneiden deutsche Hochschulen dann bei Ihnen ab?

Federkeil: Im Bereich Forschung auch bei uns nicht durchgehend herausragend. Die Universität in Heidelberg, beide Münchner Universitäten oder die RWTH Aachen legen viel Wert auf Forschung, sind bei einigen Indikatoren international durchaus konkurrenzfähig. Schaut man sich zum Beispiel an, wie viele Publikationen Co-Autoren aus der Wirtschaft haben, zählen die Hochschule Pforzheim, die Hochschule Frankfurt und die Hochschule Aalen zu den Topplayern. Dieser Praxisbezug ist ein Kernziel der Arbeit dieser Fachhochschulen und das erreichen sie auch.

SPIEGEL: Gibt es etwas, das deutsche Hochschulen besonders gut machen, andere Rankings aber übersehen?

Federkeil: Wir betrachten auch die internationale Orientierung. Die deutschen Hochschulen sind sehr gut darin, ihren Studierenden internationale Erfahrung zu vermitteln. Wenn man das misst, stehen sie deutlich besser da als amerikanische. Die locken vielleicht Studierende und Forschende aus dem Ausland an, aber andersrum ist es deutlich seltener der Fall.

SPIEGEL: Ist jemand, der in Harvard studiert, trotzdem besser ausgebildet als jemand, der etwa an der Universität Hamburg war?

Federkeil: Das kann man eben nicht generell sagen. Allein auf den Bachelor bezogen, würde ich das hinterfragen. Gerade im Grundstudium bekommt man in Harvard meist keine Topforscher zu Gesicht. Klar, Harvard oder MIT im Lebenslauf stehen zu haben, kann sich bei der Bewerbung nach dem Studium auszahlen – wegen des guten Images, also der Reputation. Doch auch deutsche Hochschulen bringen Toptalente hervor, die auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt sind. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.