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Auch in Berlin finden sich aus Solidarität mit den Protesten im Iran seit September regelmäßig Menschen zusammen, viele darunter aus der iranischen Diaspora.

© Nassim Rad/Tagesspiegel

Uni-Solidarität mit iranischen Protesten: „Den Nahen Osten neu erfinden“

Die Aufstände gegen das repressive Regime im Iran tragen auch viele Studierende und Forschende mit. Berliner Unis diskutierten jetzt, wie sie aus der Ferne unterstützen können.

„Ich bin in einem faschistischen, patriarchalen und frauenfeindlichen Regime aufgewachsen“ – diese klaren Worte fand der aus dem Iran stammende Materialwissenschaftler Khashayar Razghandi in einem öffentlichen Gespräch mit Berliner Wissenschaftsakteur:innen jetzt über sein Heimatland. Mit den seit September anhaltenden Protesten gegen das Mullah-Regime gebe es aber endlich wieder eine Chance, den Iran, ja, die ganze Region neu zu erfinden, so Razghandi.

Welche Rolle aber kann der Westen dabei spielen, eine neue Perspektive für den Iran und die Region zu eröffnen? Und wie sollen Universitäten, Studierende und Forschende vorgehen, wenn sie Solidarität bekunden und die Aufständischen in ihrem Freiheitskampf aus der Ferne unterstützen wollen? Dies ist in den Abteilungen für Internationales der Humboldt-Universität und der Freien Universität ein aktuelles Thema, das sie anlässlich eines globalen Aktionstags für den Iran am Mittwoch gemeinsam diskutierten.

Freiheitsbewegungen in autoritären Regimen werden seit jeher von jungen Menschen und Studierenden mitgetragen, während dort die wissenschaftlichen Freiheiten beschränkt und Campusproteste niedergeschlagen werden – so auch im Iran. Bislang seien unter den insgesamt bis zu 18.000 im Zuge der Proteste Inhaftierten auch viele Studierende, sagte Neda Soltani, Referentin für gefährdete Forschende an der Humboldt-Uni. Bekannt sei dies für 569 Studierende. 541 Todesoper seien ihrem Stand nach im Zuge der Aufstände von den Sicherheitskräften ermordet worden.

Zwar mögen Solidaritätsaktionen in Deutschland angesichts der Gewalt der Sicherheitskräfte vor Ort wirkungslos scheinen. Dennoch sei für die revolutionären Akademiker:innen etwas gewonnen, wenn sie seitens der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft Unterstützung spürten, betonte Razghandi, der derzeit als Ingenieur am HU-Cluster „Matters of Activity“ forscht. Schließlich seien Universitäten noch immer der Ort, wo Zukunft neu entworfen werden könne und eine gewisse „Anarchie“ im Sinn einer radikalen Freiheit des Denkens herrsche.

Politische Positionierung bei Unis: ein „schmaler Grad“

Florian Kohstall, Programmleiter für Globale Verantwortung an der FU, bestätigte die Bedeutung von Solidaritätsaktionen für die iranische Bewegung: Ihn hätten zahlreiche Aufrufe von Wissenschaftler:innen aus dem Iran erreicht, hierzulande auf die Proteste aufmerksam zu machen. Die FU führt bislang drei Universitäten als Partner im weltweiten Austauschprogramm „ErasmusPlus“ , davon zwei in Teheran und eine in Kerman im Südosten des Landes.

Kohstall betonte aber auch, für öffentliche Institutionen seien offizielle Stellungnahmen zur auswärtigen Politik ein „schmaler Grad“: Die FU beziehe bei Aufständen oder Kriegen im Ausland nur dann als Universität Position, wenn direkte Kooperationen mit Hochschulen vor Ort bestehen.

Offen bleibt indes die Frage, inwieweit die Berliner Universitäten iranische Studierende und Forschende, die angesichts der bedrohlichen Lage ihre Heimat verlassen wollen, etwa durch zusätzliche Stipendien unterstützen können.

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