Gebäude auf dem Campus der American University of Afghanistan in Kabul.
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Afghanistan
Taliban übernehmen amerikanische Uni in Kabul

Die Taliban wollen aus der American University of Afghanistan eine eigene Hochschule machen. Dies ist gegen den Willen der exilierten Uni.

23.09.2022

Die Taliban beabsichtigen, die American University of Afghanistan (AUAF) zu übernehmen und in eine Hochschule nach ihren Vorstellungen umzuwandeln. Laut einem Bericht von "University World News" soll die private AUAF, die als gemeinnützige Organisation gegründet wurde und auf Land steht, das die Hochschule von der afghanischen Regierung least, künftig als "Afghan International University" (AIU) weitergeführt werden.

Im August seien Videosegmente auf den Webseiten des Afghanischen Ministeriums für Hochschulbildung und von "Radio Television Afghanistan" aufgetaucht, die auf dem Campus der AUAF gefilmt worden seien. Beide Videos hätten die Gründung der AIU angekündigt, aber ihren beabsichtigten Ort offengelassen. Inzwischen hänge auf dem Gelände der AUAF ein Banner, so berichtet „University World News“, das die Beschriftung "Afghan International University" in mehreren Sprachen trage. Die AUAF habe dies am 8. September mitgeteilt und sich von dem Projekt distanziert: Die AUAF habe weder einen Einfluss auf die neu gegründete Hochschule, noch sei sie im Vorhinein konsultiert worden. Seit der Eroberung Kabuls am 15. August 2021 hätten keine von der Hochschule gebilligten oder durchgeführten Aktivitäten auf dem Gelände mehr stattgefunden.

Neue Hochschule nach Plänen der Taliban

Laut "University World News" habe der afghanische Minister für Hochschulbildung Mohammad Ismail angekündigt, dass die geplante Hochschule speziell für Postgraduierte sei, dass bereits Lehrende ausgewählt wurden und die Aufnahmetests für Studierende bald beginnen könnten. Derweil sei unklar, wie die AIU ausreichend Lehrende finden und bezahlen werde, da Lehrpersonal an allen Hochschulen im Land fehle. Aktuell habe etwa die Universität von Herat nur 80 Lehrende statt 400 wie vor der Eroberung durch die Taliban. Die neue Hochschule solle neben Medizin und Ingenieurwissenschaften auch Islamstudien anbieten und sich etwa mit den Scharia-Gesetzen und mit islamkonformer Geldanlage und Ökonomie auseinandersetzen.

Allgemein sei die Lage der afghanischen Hochschullandschaft katastrophal, sagte der Präsident der AUAF Dr. Ian Bickford Ende August gegenüber der Zeitschrift "Chemistry World". Viele Labore seien geschlossen und Frauen – sowohl Studentinnen, als auch Dozentinnen – dürften einige Campus nicht betreten. Die Infrastruktur sei zwar noch da, aber sie würde unter der Taliban nicht ausreichend benutzt. Es sei ein schlimmer Fehler, sowohl aus der Perspektive der Menschenrechte, als auch wirtschaftlich, die Hälfte der Talente eines Landes von wissenschaftlichen Bemühungen auszuschließen.

Die AUAF wurde 2006 gegründet und hauptsächlich mit US-amerikanischen Fördergeldern gebaut, beispielsweise von der amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID (United States Agency for International Development). Seit Oktober 2021 befindet sich der Campus der AUAF in Katar und wird dort von verschiedenen Institutionen finanziell unterstützt. Die Hochschule bietet Onlinekurse an, möchte aber sobald wie möglich wieder nach Afghanistan zurückkehren, um ihre Arbeit vor Ort fortzusetzen. Viele ihrer ehemaligen Studierenden mussten Afghanistan verlassen oder sich verstecken, da sie befürchten mussten, ihre Assoziierung mit der AUAF würde sie unter den Taliban in Gefahr bringen. Mehr als die Hälfte von ihnen lebten und studierten nun außerhalb von Afghanistan, wie die Hochschule auf ihrer Webseite mitteilt.

cpy