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PolitikAsien

Protest gegen Schleier-Anordnung der Taliban

Shabnam von Hein
27. Mai 2022

Die jüngste Anordnung der Taliban zur Verschleierung ist ein weiterer Rückschlag für Frauenrechte in Afghanistan. Dessen Journalistinnen sind empört.

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Afghanistan Sender TOLO News | Khatereh Ahmadi, Moderatorin
Nachrichtensprecherin im afghanischen Sender Tolo News am 22.5. 2022Bild: Ebrahim Noroozi/AP Photo/picture alliance

Die TV-Journalistin Farida Sial ist wütend und enttäuscht. Die Welt schaue tatenlos zu, wie sie und ihre Kolleginnen Tag für Tag stärker unter Druck gesetzt werden und ihre Rechte verlieren, sagt sie im Gespräch mit der DW. "Es werden Statements veröffentlicht, in denen die Taliban verurteilt werden. Was sollen wir damit anfangen? Was für einen Nutzen bringt uns das?" Wie die Taliban mit Frauen umgehen würden, sei doch von Anfang an klar gewesen, empört sich Farida. Sie arbeitet für den größten afghanischen Privatsender Tolo News.

Farida gehört zu den wenigen Journalistinnen, die noch in Afghanistan arbeiten. Viele von ihren Kolleginnen haben ihren Job aufgeben; wer konnte, hat das Land verlassen. Bereits vor der Machtübernahme der Taliban gehörten Journalistinnen zu den am meisten gefährdeten Gruppen in Afghanistan. Seit knapp einem Jahr sind eben jene die Extremisten an der Macht, die zuvor gezielt Anschläge auf sie verübten, und sie schränken die Rechte von Frauen kontinuierlich ein.

Weitreichende Strafandrohung

Anfang Mai erließ Taliban-Anführer Hibatullah Achundsada eine Anordnung, der zufolge sich Frauen und insbesondere Behördenmitarbeiterinnen nur noch vollverschleiert in der Öffentlichkeit zeigen sollen, wobei "vollverschleiert" Augen- und Stirnpartei (bislang) nicht einschließt. Seit einer Woche gilt diese Anordnung auch für Farida und ihre Kolleginnen; während ihrer Arbeit vor der Kamera müssen sie einen Gesichtsschleier oder Corona-Masken tragen, die nur noch ihre Augen sichtbar lassen. Der Sender soll nach eigenen Angaben alle Journalistinnen versetzen oder entlassen, die sich weigern, ihr Gesicht zu verschleiern.

Aus Solidarität mit den Moderatorinnen trugen männliche Journalisten und Mitarbeiter von Tolonews für einen Tag in den Büros ebenfalls Gesichtsmasken.

Private und lokale TV-Sender hätten lange mit der Taliban-Regierung verhandelt, um eine generelles Arbeitsverbot für Moderatorinnen und Reporterinnen zu verhindern, ist aus eingeweihten Kreisen zu erfahren. Eine Quelle, die nicht genannt werden möchte, bestätigt im Gespräch mit der DW, dass die Taliban nur unter der Bedingung zugestimmt hätten, dass TV-Journalistinnen vor der Kamera ihr Gesicht mit Ausnahme der Augen bedecken. Die Anweisung dazu kam vergangenen Samstag aus dem Ministerium für die Förderung der Tugend und die Verhütung des Lasters.

"TV-Journalistinnen hatten sich geweigert, die Anordnung zu befolgen. Deswegen haben wir die Verantwortlichen des Senders eingeladen, um unsere Position deutlich zu machen", teilte Ministeriumssprecher Mohammad Sadegh Akef der DW mit. Bei Missachtung der Regeln droht nicht nur die Entlassung: Väter und Ehemänner der betroffenen Frauen müssen ebenfalls mit einer Strafe rechnen, ebenso wie die Chefs der Sender, die diese Anordnung nicht durchsetzen.

Farida und ihre Kolleginnen fürchten, dass es noch schlimmer kommen könnte und sie gezwungen werden, mit der Burka genannten Vollverschleierung vor der Kamera aufzutreten; diese lässt nur ein Stoffgitter als Blickfeld frei. "Das ist das, was die Taliban als 'bester Hidschab' verstehen und überall durchsetzen wollen. Dann weiß ich wirklich nicht mehr, wie ich weiterarbeiten soll. Ich brauche diesen Job und kann es mir nicht leisten zu kündigen. Ich unterstütze meine Eltern finanziell."

Viele afghanische Frauen wie Farida wünschen sich die Unterstützung und Solidarität der internationalen Gemeinschaft und insbesondere von westlichen Ländern. "Die Taliban müssen gestoppt werden," sagt Farida. "Ihnen soll klar und deutlich gesagt werden, welche roten Linien sie nicht überschreiten dürfen, wenn sie mit westlichen Diplomaten am Tisch sitzen und verhandeln möchten. Warum gibt es keine Sanktionsliste für die ihre Anführer, die unsere Rechte einschränken?"

Der UN-Sicherheitsrat hat unlängst die Taliban aufgerufen, die Einschränkungen der Rechte von Frauen rückgängig zu machen. Einstimmig verurteilten die 15 Sicherheitsratsmitglieder insbesondere "Beschränkungen, die den Zugang zu Bildung und Beschäftigung, die Bewegungsfreiheit und eine vollständige, gleichberechtigte und bedeutungsvolle Beteiligung von Frauen am öffentlichen Leben einschränken". Solche Vorgaben müssten "rasch aufgehoben" werden. Afghanische Frauen bezweifeln allerdings, dass die Taliban sich von solchen Aufforderungen beeindrucken lassen.

Mitarbeit: Ashaq Akramy